GKV-FinStG: Pharmafirmen scheitern mit Verfassungsbeschwerden
„Carte blanche für weitreichende Preisvorgaben“
Karlsruhe (opg) – Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) weist zwei Verfassungsbeschwerden von Arzneimittelherstellern gegen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) zurück. Diese seien teilweise unzulässig, unbegründet oder zeigten keine ausreichend fundierte Grundrechtsverletzung auf. Der Beschluss vom 7. Mai ist am 16. Juli veröffentlicht worden.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen den Herstellerabschlag, die Verlängerung des Preismoratoriums, die Regelungen zu Preisabschlägen bei neuen patentgeschützten Arzneimitteln (Leitplanken), den Geltungsbeginn des gesetzlich festgelegten Erstattungsbetrags bei erstmaligem Inverkehrbringen eines Arzneimittels mit neuem Wirkstoff und den Kombinationsabschlag. Die Unternehmen sehen sich in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Berufsfreiheit verletzt und erkennen eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG.
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BVerfG: Grundrechtseingriffe gerechtfertigt
„Soweit sich die Verfassungsbeschwerden zulässigerweise gegen den Herstellerabschlag und die Verlängerung des Preismoratoriums richten, sind sie unbegründet“, teilt das Bundesverfassungsgericht mit. „Die bewirkten Grundrechtseingriffe sind gerechtfertigt.
Die Karlsruher Richter gestehen zwar ein, dass mit dem verlängerten Preismoratorium „ein erheblicher bis schwerer Grundrechtseingriff“ vorliegt. „Die […] Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der pharmazeutischen Unternehmer steht aber nicht außer Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung.“ Der Gesetzgeber dürfe einen solchen Eingriff rechtfertigen aufgrund der „überragenden Bedeutung des Gemeinschaftsguts“. Ferner profitierten die Unternehmen selbst von der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung.
Auch der Herstellerabschlag sei angemessen.
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Die Karlsruher Richter gestehen ein, dass „ein erheblicher bis schwerer Grundrechtseingriff“ vorliegt, aber ... © iStock.com, Onidji
In Bezug auf die Leitplanken verweist Karlsruhe auf die Möglichkeit von Schiedsverfahren. In Fragen des Kombinationsabschlags könnten sich die Unternehmen an die Fachgerichte wenden. Auch beim Erstattungsbetrag könne ein fachgerichtliches Rechtsschutzverfahren „maßgebliche Aufklärung der Sach- und Rechtslage“ liefern. Für diese drei Sachverhalte sei die „Wahrung der Subsidiarität der jeweiligen Verfassungsbeschwerde nicht ausreichend vorgetragen“, so das BVerfG. Bedeutet: Andere mögliche vorinstanzliche Rechtsmittel seien nicht ausgeschöpft worden.
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Innovationen und Versorgungssicherheit in Gefahr
Pharma Deutschland kritisiert, „dass das Gericht der Politik faktisch Carte blanche für weitreichende Preisvorgaben gibt, ohne strukturelle Ursachen der Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung in den Blick zu nehmen“. Pharmazeutische Unternehmen würden so zum finanziellen Reparaturbetrieb eines Systems, dessen Fehlanreize an ganz anderer Stelle entstünden. „Auf der Hand liegende Effizienzreserven werden somit nicht angegangen.“
Auch der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) ist enttäuscht.
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Dr. Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD © Photothek Media Lab
Pantazis: Klare Bestätigung für politischen Kurs
Beide Organisationen setzen nun ihre Hoffnungen in die neue Bundesregierung. Der Karlsruher Beschluss dürfe kein „Freibrief für weitere Belastungen“ sein, heißt es von Pharma Deutschland. Der Verband fordert eine Rückkehr zu verlässlichen, investitions- und versorgungsfreundlichen Rahmenbedingungen. „Es ist jetzt an der Politik, die Weichen vorausschauend zu stellen und einer Zukunftsbranche auch weiterhin Perspektiven in Deutschland zu eröffnen“, appelliert Steutel an den Gesetzgeber. „Ein abschließendes juristisches Bild wird sich erst ergeben, wenn das Bundesverfassungsgericht in weiteren ausstehenden Fällen geurteilt hat.“
Die erste Reaktion aus einer Regierungsfraktion dürfte die Pharmavertreter nicht gerade hoffnungsvoll stimmen. Dr. Christos Pantazis, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im Bundestag, begrüßt die Entscheidung aus Karlsruhe „ausdrücklich“: „Das ist eine klare Bestätigung für unseren politischen Kurs.“