Ersatzkassen schlagen Patientensteuerungsmodell vor

1 Hausarzt + 3 Fachärzte = Persönliches Ärzteteam

Berlin (opg) – Patientensteuerung ist aktuell das Thema in der ambulanten Versorgung und wird auch von der potenziellen neuen Bundesregierung forciert. Von Kostenträgerseite macht jetzt der Verband der Ersatzkassen (vdek) den ersten Aufschlag: das „Persönliche Ärzteteam“. In dem Modell wählt jeder gesetzlich Krankenversicherte über eine digitale Plattform einen Hausarzt und bis zu drei  grundversorgende Fachärzte aus, zum Beispiel Diabetologe, Kardiologe oder Orthopäde, zunächst für ein Jahr. 

Ein Hausarzt plus drei grundversorgende Fachärzte: Fertig ist das „Persönliche Ärzteteam“ à la Ersatzkassen. Der Versicherte kann Mitglieder des Teams direkt und ohne Überweisung in Anspruch nehmen. Daneben soll es möglich sein, eine telemedizinische Ersteinschätzung unter anderem per 116117 oder App zu nutzen. Ärzte außerhalb des Teams dürfen nur mit digitaler Überweisung in Anspruch genommen werden. Dazu muss nach Vorstellungen des vdek eine digitale Termindatenbank etabliert werden, auf der die Behandler feste Sprechzeiten-Kontingente bereitstellen. Die Überweisung werde auf dieser Plattform hinterlegt und beim Einlesen der Gesundheitskarte in der Praxis abgerufen. Behandlungen ohne Überweisungen dürften nicht zulasten der GKV abgerechnet werden.

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Über eine digitale Plattform wählen GKV-Versicherte einen Hausarzt und bis zu drei grundversorgende Fachärzte aus - so der Vorschlag des vdek. © stock.adobe.com, opolja

Das Modell wäre verpflichtend für die Versicherten und soll Regelversorgung werden. Vdek-Chefin Ulrike Elsner will damit die Terminsituation verbessern. „Ein wesentlicher Grund für lange Wartezeiten ist, dass zu viele Versicherte durch das Gesundheitssystem irren, ohne an den richtigen Behandlungsort zu kommen. Es fehlt an verbindlicher Steuerung und Orientierung.” Im Jahr 2022 suchten 20 Prozent der Versicherten sechs oder mehr unterschiedliche Arztpraxen auf.

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„Ein wesentlicher Grund für lange Wartezeiten ist, dass zu viele Versicherte durch das Gesundheitssystem irren, ohne an den richtigen Behandlungsort zu kommen“, sagt vdek-Chefin Ulrike Elsner. © pag, Fiolka

vdek: HzV ist gar nicht so gut

Die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV) hätte sich als Steuerungsmodell bisher nicht bewährt, meint Elsner. In einem der Presseagentur Gesundheit vorliegenden Fact Sheet des vdek sei kein Rückgang von Facharztbesuchen bei HzV-Versicherten festzustellen. Im Schnitt würden Patienten in der HzV 4,9 bis 5,6 Facharztpraxen aufsuchen, in der Regelversorgung 4,8 bis 5,5. Auch keinen Unterschied gebe es bei den stationären Aufenthalten. Patienten der Regelversorgung gingen genauso häufig ins Krankenhaus wie Eingeschriebene der HzV (0,3 bis 0,4 Klinikaufenthalte pro Jahr). Lediglich Früherkennungsuntersuchungen (Check-up 35) würden von HzV-Patienten etwas häufiger in Anspruch genommen als von Versicherten in der Regelversorgung, allerdings nur bei Betrachtung der zweiten Stelle nach dem Komma. In der HZV seien es 0,23 bis 0,32, in der Regelversorgung 0,20 bis 0,30. Der vdek betrachtet in seinem Fact Sheet die HzV-Einschreibungen von 2017 bis 2019 in Baden-Württemberg, Bayern und Berlin. Demzufolge seien auch höhere Leistungsausgaben von HzV-Versicherten zu verzeichnen – plus 2,5 bis 7,3 Prozent, allein in der ambulanten Versorgung plus 3,9 bis 11 Prozent. Als Gegenmodell zur HzV will der vdek sein Persönliches Hausarztteam aber nicht verstanden wissen.
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Dr. Markus Beier, Co-Bundesvorsitzender des HÄV, kritisiert das vdek-Modell: „Da ist Chaos vorprogrammiert.“ © pag, Fiolka

Beier kontert

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband hält dagegen. Zahlreiche Studien würden belegen, dass mit der HzV unnötige Krankenhauseinweisungen und unkoordinierte Facharztbesuche vermieden werden könnten, so Co-Bundesvorsitzender Dr. Markus Beier. „Es ist absurd anzunehmen, dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten effizienter wird, wenn vier unterschiedliche Ärzte gleichzeitig steuern“, kritisiert er das vdek-Modell. „Da ist Chaos vorprogrammiert.“ Außerdem dürften Menschen in unterversorgten Regionen Schwierigkeiten haben, überhaupt drei Fachärzte zu finden.

Wie die potenzielle schwarz-rote Koalition mit dem vdek-Vorschlag umgeht, ist ungewiss. Im Ergebnispapier der Verhandlungsgruppe Gesundheit und Pflege von CDU, CSU und SPD heißt es: „Zu einer besseren und zielgerichteten Versorgung der Patientinnen und Patienten und für eine schnellere Terminvergabe führen wir ein verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte in der HzV und im Kollektivvertrag ein.“