Neue pharmazeutische Dienstleistungen sorgen für Zoff

Ärzte schielen auf Apotheker-Honorar

Berlin (opg) – Erst Impfen und jetzt auch noch Beratung. Die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen bringen die Behandler auf die Palme. Künftig dürfen Apotheker auf Kosten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Patienten in fünf Bereichen der Arzneimitteltherapie betreuen. Es gibt kaum einen Verband oder Funktionär aus der Ärzteschaft, der diese Maßnahmen nicht kritisiert.

Für folgende Dienstleistungen bekommen die Apotheker künftig GKV-Geld: Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation ab fünf Arzneimittel (90 Euro netto); pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten und bei oraler Antitumortherapie (jeweils 90 Euro, plus 17,55 Euro für Folgeberatung), Risikoerfassung bei hohem Blutdruck (11,20 Euro) sowie Einweisung in die Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik (20 Euro). Die ersten drei Dienstleistungen dürfen nur Apotheker mit Fortbildung anbieten, die übrigen auch pharmazeutisches Personal.

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„Fundamentaler Angriff auf hausärztliche Versorgung“

„Jetzt gibt es ein gutes Leistungsportfolio, das die Apotheken auch im Interesse der Patienten umsetzen können, ohne dass es dazu einer ärztlichen Verordnung bedarf“, betont Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands. Der Deutsche Hausärzteverband ist alles andere als begeistert: Die Versorgung werde weiter zerstückelt, hausärztliche Aufgaben würden ausgelagert. „Was gar nicht geht ist, wenn Apothekerinnen und Apotheker durch Änderung der Dosierungen in die Therapie eingreifen“, kritisiert Verbandschef Ulrich Weigeldt. Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), spricht gar von einem „fundamentalen Angriff auf die hausärztliche Versorgung“. Drunter machts der KBV-Vize nicht und hat noch eine Spitze parat: „Nur die Ärztinnen und Ärzte weisen eine qualifizierte Heilkundeerlaubnis auf, die unter anderem die Anamnese, Untersuchung, Diagnostik und Differenzialdiagnosen sowie Pharmakotherapie umfasst. Die Apotheker haben dieses Wissen nun einmal nicht“.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, sieht sich zu einer Stellungnahme veranlasst. „Patienten sind keine Kunden und Apotheken keine Arztpraxen-to-go. Die Beratung in der Apotheke kann die ärztliche Diagnose und Therapieempfehlung nicht ersetzen, auch nicht ansatzweise“, kritisiert er.

 

Faktor Geld

Der Aufschrei der Ärzteschaft war so sicher wie das Amen in der Kirche. Doch geht’s hier wirklich um die Aushöhlung ureigenster ärztlicher Tätigkeiten und einen Angriff auf die medizinische Versorgung? Mindestens genauso dürfte den Behandlern auch der monetäre Aspekt wurmen. KBV-Chef Dr. Andreas Gassen fordert nun, dass Ärzte bei der Erbringung der gleichen Leistungen mindestens genauso hoch honoriert werden wie die Apotheker. Das ist ganz im Sinne Weigeldts: „Alles andere würde wirklich kein Mensch mehr verstehen. Hier braucht es dann im Zweifel eine Anpassung der Bewertungen.“

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Dr. Susanne Johna, Chefin des Marburger Bunds, fragt sich auf Twitter: „Gibt es für die Medikationsberatung in den Apotheken eigentlich auch einen Budgetdeckel – oder bleibt dieses ,Privileg‘ uns Ärztinnen und Ärzten?“

 

AOK gibt Ärzten Korb

In der Tat kann man sich angesichts der prekären Finanzlage der GKV fragen, ob für die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen denn wirklich Geld da ist. Der AOK-Bundesverband äußert dann auch Verständnis für die wütenden Behandler. „Die Honorare, zum Beispiel für eine simple Leistung wie die Blutdruckmessung, sind viel zu hoch angesetzt. Das steht in keinem Verhältnis zu den Vergütungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte für die entsprechenden Leistungen“, meint seine Chefin Dr. Carola Reimann. Das war’s dann aber auch mit dem Verständnis. Dass Ärzte nun mehr Geld bekommen sollen, lehnt sie ab. „Angesichts der dramatischen Finanzlage der GKV gibt es aktuell keinen Spielraum für finanzielle Wohltaten, weder in Richtung der Apotheken noch in Richtung der Arztpraxen.“

Regelrechte Giftpfeile in Richtung Ärzteschaft schießt die BKK VBU auf Twitter ab: „Fast hat man sich an die Besitzstandswahrung schon gewöhnt. Besser wäre, man dürfte sich an unbedingte Orientierung an Patientinnen und Patienten gewöhnen.“