Sachliche Generalaussprache zur Sterbehilfe im Bundestag

Eine Debatte voller Zumutungen

Berlin (opg) – Die Sterbehilfe beschäftigt den Bundestag erneut: In einer Generalaussprache beraten die Volksvertreter am 18. Mai über Reformmöglichkeiten. Das Bundesverfassungsgericht hat das 2015 vom Parlament beschlossene Verbot der organisierten Sterbehilfe gekippt und klargestellt, dass Menschen ein Recht haben, selbstbestimmt zu sterben, auch mit Unterstützung Dritter.

Gleich zu Beginn spricht der SPD-Politiker Helge Lindh im Plenarsaal von einer Debatte, die Zumutungen beinhalte. „Die autonom gebildete Entscheidung eines Menschen, sich das Leben zu nehmen, dafür vielleicht auch Hilfe zu beanspruchen, ist eine Zumutung für uns alle und eine Zumutung für die Gesellschaft.“ Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, diesem autonom gebildeten Willen in ganz besonderer Weise gerecht zu werden und auch das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung als verfassungswidrig zu erklären, sei eine solche Zumutung. Aus dieser Zumutung dürfe allerdings keine Zumutung für die Betroffenen sowie potenzielle Helferinnen und Helfer entstehen, sondern: „Wir müssen diese Zumutung ertragen“.

Bislang hat sich das Hohe Haus damit schwergetan. Auch der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Stehen die Zeichen jetzt auf Neuanfang?

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„...schützend vor das Leben des Einzelnen“

Eine fraktionsübergreifende Gruppe von Abgeordneten hat bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sieht unter anderem vor, dass die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich strafbar sein soll. Nicht rechtswidrig soll jedoch die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe dann sein, wenn die suizidwillige Person „volljährig und einsichtsfähig“ ist, sich mindestens zweimal von einem Facharzt oder Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat untersuchen lassen und mindestens ein ergebnisoffenes Beratungsgespräch absolviert hat. Es sei wichtig, dass sich der Staat schützend vor das Leben des Einzelnen stelle, betont der CDU-Abgeordnete Ansgar Heveling. Geschäftsmodelle, die dazu führten, dass Suizide als Normalfall gelten, müssten verhindert werden. Nötig sei ein klares Schutzkonzept. Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) betont, dass Suizidalität relativ häufig sei und im Laufe eines Lebens auftreten könne. Es gelte daher auch, ein Tabu zu brechen. Vielen Menschen gehe es eigentlich nur um eine Pause in einer als unerträglich empfundenen Lebenslage. Entscheidend sei daher, die Suizid-Prävention an erste Stelle zu setzen.

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Fokus auf Beratungsstruktur

Die Parlamentarier diskutieren auch weitere Gruppenanträge, die dem Bundestag noch nicht offiziell vorliegen. Viele Redner heben das Selbstbestimmungsrecht der Menschen hervor, das sich auch auf die Entscheidung erstrecke, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Einigkeit besteht darin, eine Beratungsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen und Suizide wo immer möglich zu verhindern. Manche Abgeordnete fordern einen Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung, andere warnen vor intransparenten Geschäftsinteressen mancher Anbieter professioneller Sterbehilfe.

Kathrin Helling-Plahr befürwortet eine liberale Sterbehilfe-Regelung. Die FDP-Politikerin erinnert an die Schicksale etwa von Menschen mit chronischen Schmerzen. Es gehe um die Sicherheit, entscheiden zu dürfen, wann das Leben ende, um das Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben. Daher sei das Strafrecht inakzeptabel. Wer bereit sei, Menschen auf dem letzten Weg zu begleiten, müsse mit Respekt gesehen werden und nicht mit Strafen bedroht. Es gehe nicht darum, sich moralisch über diese Menschen zu erheben. Den Betroffenen müsse mit Beratung zur Seite gestanden werden und mit konkreter Hilfe. Es sei besser, den Ärzten die Entscheidung zu überlassen statt Institutionen.

Lauterbach weiterhin dabei

Helling-Plahr hat bereits in der vergangenen Wahlperiode mit Petra Sitte (Linke), Prof. Karl Lauterbach, Swen Schulz (beide SPD) sowie Otto Fricke (FDP) einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der eine Regelung der Suizidhilfe außerhalb des Strafrechts vorsieht. Nach einer personellen Neuaufstellung der Gruppe, der sich nun Helge Lindh angeschlossen hat, geht es jetzt in eine neue Runde. Der bisherige Entwurf ist der FDP-Abgeordneten zufolge lediglich in Details angepasst worden. Derzeit finden sich auf dem Dokument nur die Namen von vier Abgeordneten, was Helling-Plahr damit erklärt, dass dort zunächst die Erst-Initiatoren und nicht alle Unterstützer genannt seien. Lauterbachs Name steht dort nicht mehr, er sei aber weiterhin ein Unterstützer des liberalen Gesetzesentwurfs.